
Klimaschutz „Made in Germany“ wird begraben
Union und SPD verabschieden sich von einer aktiven Rolle Deutschlands in der Klimaschutzpolitik – dies war nicht nur der Eindruck auf der Klimakonferenz in Warschau, sondern steht jetzt auch schwarz auf weiß im Koalitionsvertrag. Sie ducken sich bei der überfälligen Anhebung der EU-Klimaschutzziele auf 30 Prozent bis 2020 genauso weg wie bei der Festlegung nationaler CO2-Minderungsziele. Eine wirksame Reparatur des Emissionshandels lehnen die Koalitionäre in spe sogar ausdrücklich ab. Statt alle überschüssigen Zertifikate stillzulegen, soll nur ein Teil vorübergehend aus dem Markt genommen werden. Dabei ist allen klar, dass dies keine nachhaltige Wirkung auf den CO2-Zertifikatepreis haben wird. Als Lenkungsinstrument für klimafreundliche Investitionen fällt der CO2-Emissionshandel damit auf Dauer aus – eine klimapolitische Katastrophe. Braun- und Steinkohle werden damit weiter begünstigt. Die eigenen Klimaziele werden so nicht zu erreichen sein und die internationale Vorreiterrolle ist Vergangenheit. Klimaschutz ist zur Makulatur verkommen. Das von der SPD geforderte Klimaschutzgesetz findet sich im Vertrag nicht.
Erneuerbaren Energien werden die Flügel gestutzt
Die Union hat sich mit ihrem Plan, den Zubau für Erneuerbare-Energien-Anlagen zu deckeln und bis 2025 einen Ökostromanteil von 40-45 % gesetzlich zu verankern, durchgesetzt. Damit würden die Zubauraten gegenüber heute mehr als halbiert und die Große Koalition bleibt selbst hinter den Zielen, die Schwarz-Gelb noch 2010 benannt hatte (38,6% für 2020) zurück. Hinzu kommt die Ankündigung von einer verpflichtenden Direktvermarktung und eines Ausschreibungsmodells ab 2017/2018, was auf ein faktisches Ende des EEG bedeutet. Völlig unverständlich ist, dass für Windkraftanlagen an Land ein ganzes Bündel von Restriktionen und Vergütungskürzungen vereinbart wird. So sollen nur noch „gute Standorte“ im Norden durch die Weiterentwicklung des Referenzertragsmodell mit einem Wert von 75-80% künftig noch gefördert werden. Es steht zu befürchten, dass, damit südlich von Hannover kaum eine Anlage mehr gebaut werden kann. Die Länder sollen in Zukunft darüber hinaus Abstandsregelungen für Windkraftausbau festlegen – eine Forderung der CSU, die damit den Ausbau unterbinden will. Das schadet nicht nur dem Klimaschutz, sondern ist auch ökonomisch unsinnig. Denn gerade die Windenergie im Binnenland, nahe an den Verbrauchszentren, ist der Billigmacher der Energiewende. Bei der Photovoltaik bleibt der unsinnige und schädliche Ausbaudeckel, während die Perspektive der Bioenergien völlig offen bleibt.
Teure Vorhalteprämie für klimaschädliche Kohlekraftwerke
Passend zu der von der Union durchgesetzten Absenkung des Ausbaupfades für die Erneuerbaren Energien findet sich die SPD-Forderung nach einer Vorhalteprämie für alle Kraftwerke – versteckt im Wort „technologieoffen“. Dazu zählen damit explizit auch unflexible und klimaschädliche Kohlekraftwerke, die der Energiewende entgegenstehen. Mit einer solchen Vorhalteprämie – dessen Kosten die Stromkunden bezahlen müssen – wird es keinen Aufbruch in einen neuen, zukunftsweisenden Strommarkt geben. Statt die Marktchancen für zukunftsweisende Techniken wie effiziente und flexible Gaskraftwerke, Lastmanagement oder auch Speicher zu stärken – etwa durch fokussierte Kapazitätsmärkte – stehen die Zeichen hier auf rückwärtsgewandte Energiepolitik. Insgesamt liefert der Vertrag kein Bild davon, wie die Koalition sich insgesamt ein zukunftsfähiges Strommarktdesign vorstellt, das wachsende Anteile fluktuierender Erneuerbarer Energien integriert. Offensichtlich herrscht hierüber bei Union und SPD Unklarheit oder man will es weitgehend beim jetzigen Strommarktdesign, das geschaffen wurde für Kohle und Atom, belassen – ergänzt um eine wie auch immer geartete Netzreserve und die erwähnen Vorhalteprämien für alle Kraftwerke. Einer der wenigen Lichtblicke im Koalitionsvertrag ist das Bekenntnis zur Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), auch wenn das Ziel einer Erhöhung des Anteils an der Stromerzeugung bis 2020 von derzeit knapp 15% auf 25% nur das gültige Gesetz widergibt. Aber das ist angesichts der KWK-Verhinderungspolitik der schwarz-gelben Bundesregierung schon ein Erfolg.
Maßnahmen zur Kostensenkung? Fehlanzeige!
Nicht der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist Treiber der Strompreise sondern sinkende Börsenpreise und Industrieausnahmen treiben die EEG-Umlage in die Höhe. Das Ausbremsen der Erneuerbaren Energien bringt deshalb für die VerbraucherInnen keine nennenswerte Kostensenkung. Das war aber die Begründung der Bundeskanzlerin für eine schnelle EEG-Reform. Die ausufernden Industrieausnahmen bei Umlagen und Entgelten beim Strompreis sollen lediglich überprüft werden. Klare Kriterien, welche Branchen Ausnahmen tatsächlich brauchen sucht man vergebens. Das ist einer von über 100 Prüfaufträgen im Koalitionsvertrag. Dabei zahlen PrivatverbraucherInnen und Mittelstand schon heute für diese Privilegien fast 10 Mrd. Euro. So profitiert etwa der Braunkohletagebau – der keinesfalls in internationalem Wettbewerb steht - massiv von den Ausnahmetatbeständen im EEG. Allein im letzten Jahr stiegen seine Ausnahmebefreiungen um 55% auf nunmehr 67,7 Mio. Euro.
Energieeffizienz weiter auf dem Abstellgleis
Obwohl der Koalitionsvertrag die Energieeffizienz als zweite Säule einer nachhaltigen Energiewende benennt, enthält er aber kaum sinnvolle Maßnahmen, diese zu stützen. Es fehlt jede Spur von einer konsistenten und integrierten Effizienzstrategie mit verbindlichen Zielen und ein klarem Politikmanagement. Der Vertrag benennt weder konkrete Ziele für Energieeffizienz noch hört sich das Bekenntnis für eine „sachgerechte“ Umsetzung der EU-Energieeffizienzrichtlinie wirklich ambitioniert an. Das Bekenntnis zu einem Nationalen Energieeffizienzaktionplans (NEEAP) ist zwar schön, doch weder ist ein solcher Plan neu noch ist er verbindlich. Entgegen den Entwürfen des Koalitionsvertrags tauchen wichtige Projekte wie die steuerliche Förderung von Gebäudesanierungen jetzt überhaupt nicht mehr auf.
Antworten zum Netzausbau nur unzureichend
Obwohl der Netzausbau auch weiterhin nur schleppend vorangeht, liefert die Bundesregierung in spe nur unzureichende Antworten auf solche und andere drängende Fragen beim Thema Stromnetze. Auffallend ist auch, dass die von der SPD im Sommer geforderte Bundesnetzgesellschaft nicht mehr auftaucht und die finanzielle Bürgerbeteiligung am Netzausbau mit einer „kann“-Formulierung faktisch beerdigt wird. Damit bleibt es im Wesentlichen bei den von Schwarz-Gelb geschaffenen, in Teilen unzulänglichen Regelungen für den Ausbau des Übertragungsnetzes. Ein Aufbruch sieht anders aus.
Leere Worthülsen zur Atompolitik
Auch im Themenbereich Atom finden sich im Koalitionsvertrag nur schwammige und nichtssagende Worthülsen und vage Absichten. Der Schutz vor Terrorangriffen soll auf eine „rechtssichere Grundlage“ gestellt werden, doch das ist heute bereits im Atomgesetz vorgegeben und durch verschiedene Gerichtsurteile geklärt. Die Sicherheit von Atomkraftwerken solle erhöht werden, doch Konkreter wird es nicht. Auch bei der Endlagerung bleibt der Koalitionsvertrag unambitioniert. Selbst für die dringend erforderliche Asse-Sanierung trauen sich Union und SPD nicht mehr zu als die „Voraussetzungen für die Rückholung“ zu schaffen. Die SPD ist mit ihren Forderungen nach einem öffentlichen Fonds für die Entsorgungs-Rückstellungen, einer Entfristung der Brennelementesteuer (damit können die Atomkonzerne zwischen 2017-22 über 6 Mrd. € in die eigene Tasche wirtschaften) und das Verbot von Hermesbürgschaften für Atom-Exporte gescheitert. Ob die sich abzeichnende Koalition entschieden zum Atomausstieg steht, ist längst noch nicht ausgemacht. Setzt sich die Union durch, wird die Ausstieg aus der Atomkraft bestenfalls verwaltet, die Sicherheit aber keinen Deut vorangebracht.
Fracking
Ein eindeutiges Fracking-Verbot findet sich anders als von Koalitionären vorher angekündigt nicht. Fracking soll erst dann zugelassen werden, wenn es ohne „umwelttoxische Substanzen“ möglich ist. Der gesamte Absatz klingt zwar Fracking-kritisch, aber es bleibt völlig unklar, auf welcher bundesgesetzlichen Rechtsgrundlage die formulierte Ablehnung von Fracking geschaffen werden soll. Die im Text genannten Änderungen im Wasserhaushaltsgesetz und der Verordnung über eine Umweltverträglichkeitsprüfung entsprechen den Fracking-Erlaubnis-Vorschlägen von Schwarz-Gelb. So ist zu erwarten, dass die bestehende Rechtsunsicherheit für die Länder bei diesem Thema durch die Große Koalition am Ende auch nicht beseitigt wird.
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